Mensch-Tier-Beziehung
Tiere als Co-Therapeuten

Stressreduktion, Entspannung, Motivation, Respekt vor der Natur, Anreize zur Kommunikation, Spiel und Bewegung – die positiven Effekte von Heimtieren sind vielfältig. Nicht nur im privaten Umfeld, auch in Praxen, Schulen, Krankenhäusern oder Seniorenheimen wirken Heimtiere als wertvolle Begleiter.

Was bedeutet "Tiergestützte Therapie"?

Tiere schenken als Assistenzhunde kranken und behinderten Menschen mehr Lebensqualität. Unter den - bislang nicht geschützten - Begriffen "tiergestützte Therapie" oder "tiergestützte Intervention" werden Heimtiere darüber hinaus erfolgreich als Helfer bei den unterschiedlichsten psychischen und körperlichen Krankheiten in Kliniken und Altenpflegeheimen eingesetzt. Bei tiergestützten Interventionen steht die Mensch-Tier-Beziehung im Mittelpunkt. Nicht nur das Wohl des Menschen, insbesondere auch das der Tiere müssen berücksichtigt werden.

Die European Society of Animal Assisted Therapy (ESAAT) informiert, dass sich die Arbeit unter Mitwirkung von Tieren an Wissenschaftsstandards verwandter Disziplinen wie Psychotherapie, Psychologie, Medizin, Pädagogik, Ethologie und Veterinärmedizin u.a. orientiert. Die Arbeit kann sowohl im Einzelgespräch als auch in Gruppen stattfinden.

Tiergestützte Intervention beinhalte Methoden, bei denen Klientinnen und Klienten mit Tieren interagieren, über Tiere kommunizieren oder für Tiere tätig sind. Die Durchführung erfolge zielorientiert anhand einer klaren Prozess- und Themenorientierung unter Berücksichtigung tierethischer Grundsätze mit anschließender Dokumentation und fachlich fundierter Reflexion.

Tiergestützte Intervention umfasst bewusst bio-psycho-soziale Gesundheit und geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren aller Berufsfelder aus dem Gesundheitsbereich. Tiergestützte Intervention kann für Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie ältere Menschen mit kognitiven (mental health), sozial-emotionalen und motorischen Einschränkungen und Förderschwerpunkten im gesamten Spektrum von Salutogenese12 und Pathogenese13 angewandt werden.

European Society of Animal Assisted Therapy (ESAAT)

Die allgemeinen Ziele der tiergestützten Intervention definiert die ESAAT folgendermaßen:

  1. die körperlichen, kognitiven und sozio-emotionalen Funktionen wiederherzustellen und zu erhalten, 
  2. die Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung von Aktivitäten und Handlungen zu fördern, 
  3. das Einbezogensein in die jeweiligen Lebenssituation zu fördern und 
  4. das subjektive Wohlbefinden zu verbessern. 

Positive Effekte des Umgangs mit Tieren

Psychische Effekte

Für alte Menschen ist die emotionale Unterstützung durch ein Tier besonders bedeutungsvoll. Die sogenannte Wellensittichstudie von Prof. Dr. Reinhold Bergler und Prof. Dr. psych. Erhard Olbrich zeigt, dass das Leben alter, meist alleinstehender Menschen durch die Pflege eines Tieres wieder sinnvoll wurde und sich psychisch und sozial stabilisierte. Sogar apathische Menschen in Pflegeheimen werden durch den regelmäßigen Besuch von Tieren oder durch die "Heim-Katze" wieder aktiv. Denn wer ein Tier hält, will auch lernen, wie es richtig ernährt, gehalten und gut erzogen wird. Die Tierfreunde tauschen sich deshalb über eine tiergerechte Haltung aus und lesen entsprechende Fachtexte.

Sylvia Greiffenhagen hat die positiven Einflüsse tiergestützter Aktivitäten bei geriatrischen Patienten untersucht. Ihr Fazit: Die Präsenz von Tieren kann insbesondere älteren Menschen dabei helfen, eine Krankheit zu überwinden und auch vorbeugend die Gesundheitsressourcen zu stärken. Insbesondere verwirrten und depressiven Patientinnen und Patienten sowie Menschen in Pflege- und Altenheimen hilft die Begegnung mit Tieren.

Soziale Effekte

Andere Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Tiere einen Sympathiebonus haben. Ein Rollstuhlfahrer, der von einem Hund begleitet wird, bekommt beispielsweise häufiger Hilfe angeboten und wird auch öfter angelächelt.

Dr. Carola Otterstedt hat festgestellt, dass der Umgang mit Tieren die verbale Kommunikation fördert, soziale Ängste reduziert und bei der Entwicklung neuer Umgangsformen mit anderen Menschen hilft. Für die Autorin haben Tiere als Lebensbegleiter außerdem die Fähigkeit, Einsamkeit und Isolation aufzuheben und als soziale Eisbrecher zu fungieren. Sie helfen Tierhaltern nicht nur, sich ihnen gegenüber zu öffnen, sondern auch gegenüber anderen Menschen.

Prof. Dr. psych. Erhard Olbrich hat beschrieben, dass Tiere den Menschen vorbehaltlos so akzeptieren, wie er ist. Tiere bieten sich ohne Vorurteil und Ansehen von Status oder Aussehen für den Körperkontakt an.

Kognitive Effekte

Durch Kontakt zu Tieren werden besonders Kinder und ältere Menschen geistig gefordert und das Gedächtnis angeregt. Dr. Carola Otterstedt führt aus, dass Tierhalter sich Informationen zur Tierhaltung merken müssen, Regeln im Umgang mit dem Tier, Kommandos und Namen etc. Darüber hinaus regen Tiere den Sprachbereich an und fördern die Kommunikation. Dr. Tanja Hoff und Prof. Dr. Reinhold Bergler zeigten in ihrer Publikation "Heimtiere und schulisches Leistungs- und Sozialverhalten", dass Jungen mit einer intakten Beziehung zu ihrem Heimtier eine erhöhte Leistungsmotivation und Leistungsbereitschaft zeigen sowie mehr Kreativität, Einfallsreichtum und Motivation zu selbstgesteuertem Lernen und Arbeiten.

Wildtiere wirken sich ebenfalls positiv aus

Wildtiere unterstützen Gesundheit des Menschen - hier: Achatschnecken
Foto: Judit Herbert / Pixabay

Tierkontakte führen auch zu einer kognitiven Anregung und Aktivierung. Gut belegt ist dies beim therapeutischen Reiten, aber auch beim Kontakt mit Nicht-Säugetieren. Helga Widder vom Wiener Verein Tiere als Therapie e.V. berichtete 2009 auf einer Tagung von Bündnis Mensch & Tier von erstaunlichen Erfolgen beim Einsatz von Achat-Schnecken, die auch vielfach als Heimtiere in Terrarien gehalten werden: Kinder, die an ADHS erkrankt sind, lernen im Kontakt mit diesen langsamen Tieren Geduld und Durchhaltevermögen. Der Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Erhard Olbrich äußerte auf derselben Tagung die Auffassung, dass der Umgang mit Fischen oder anderen Spezies das naturkundliche Interesse, Verständnis für Zusammenhänge der Natur sowie Begeisterung und damit auch Respekt vor der Entstehung von Nachkommen wecke.

Physische Effekte

Physisch zeigt sich die positive Wirkung eines Kontakts mit Heimtieren an biochemischen Veränderungen und neuroendokrinen Wirkungen wie etwa Hormonausschüttung und Schmerzreduktion. Zudem gibt es beruhigende und euphorisierende Effekte durch Ausschüttung von Beta-Endorphinen. Auch auf das autonome Nervensystem wirkt sich das Zusammensein mit Heimtieren aus: Senkung des Blutdrucks, Senkung der Puls- und Herzfrequenz und daraus resultierende Muskelentspannung.

Prof. Johannes Odendaal konnte beispielsweise eine positive Wirkung von Hunden auf stressassoziierte Hormone nachweisen. Während der Interaktion mit dem Hund (Streicheln und leichtes Spielen) nehmen die Hormone Oxytocin, Prolaktin und B-Phenylethylamine zu-, während der Kortisolspiegel signifikant sinkt.

Nicht nur der direkte Kontakt, schon das Betrachten eines Tieres hat eine stressreduzierende Wirkung. Mit einer systematischen Studie an der University of the West of Scotland, Paisley, wurde untersucht, wie sich das Anschauen von Fischen im Aquarium auf Menschen auswirkt. Zwei Studien liefern Hinweise darauf, dass es positive psychische und physiologische Effekte gibt und die Haltung von Heimaquarien mit Entspannung verbunden ist.

Welche Hygiene­vorschriften sind beim Mitführen von Therapie­hunden zu beachten?

Das Robert Koch-Institut hat einige Voraussetzungen für das Mitführen von Hunden in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen zusammengetragen.

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